Für die, denen es gar nichts sagt: Mass Effect ist das neueste Rollenspiel von Bioware, die seit einigen Jahren für das Rollenspiel des Jahres verantwortlich waren (z.B. Baldur's Gate 1+2, Neverwinter Nights, Knights of the old Republic, Jade Empire). Anmerkung am Rande: die deutsche Version ist international und kann in allen Sprachen installiert werden - danke nochmal an Guido für den Tip, sonst würde ich immer noch auf die englische warten.

Mass Effect ist KotoR tatsächlich sehr ähnlich. Es spielt in der fernen Zukunft, die Menschheit arbeitet daran, von den herrschenden Alienvölkern als gleichwertiger Partner angesehen zu werden. Der Spieler schlüpft in die Rolle von Commander Sheppard, dem Chef einer Spezialeinheit an Bord der Normandy. Wahlweise männlich oder weiblich, ausgewählt aus einer von sechs Klassen (Soldat, Techniker, Biotech (ähnlich wie Force Powers bei Star Wars) oder drei Hybridklassen , die jeweils zwei der ersten drei miteinander verbinden). Anschließend kann man noch mit einer vielzahl an Reglern das Gesicht des Charakters auswählen, ähnlich wie bei Oblivion, nur sehen die meisten Kombinationen tatsächlich gut aus statt wie Elefantenmenschen. Zu letzt, wählt man noch mit ein paar Multiple-Choise Optionen die Vergangenheit des Charakters aus. Diese haben einen Einfluß auf eventuelle Nebenquesten, die man im Spiel bekommt, und auf die Gespräche, die man im Spielverlauf führt.
Das Spiel selbst spielt sich hauptsächlich wie ein 3D-Shooter. Man kann seinen Teamgefährten (bis zu zwei) einfache Befehle erteilen oder spezielle "Styles" einsetzen, die durch das Steigern von Skills freigeschalten werden. Am Anfang muss man dabei noch sehr taktisch vorgehen (Deckung nutzen, alle Leute geschickt positionieren), später kann man, je nach Klasse, (meistens) einfach durchstürmen. Leider stellen sich die Gefährten dabei oft ziemlich dumm an - z.B. schließen diese wieder mit dem Spieler auf, sobald keine Gegner mehr in der Nähe sind. Was aber, wenn man mit seinem Scharfschützengewehr aus einem Versteck heraus Gegner ausschalten will, ziemlich nervig ist - das Gewehr schießt wesentlich weiter, als die Gefährten Gegner wahrnehmen, und so laufen sie oft einfach in die Schußlinie feindlicher Scharfschützen wenn man nicht dauernd den "Halte Position" Knopf betätigt. Zum Glück sind die Probleme aber eher ärgerlich als wirklich problematisch - wenn man sie kennt, kann man sie meistens recht einfach umgehen (siehe Taste spammen).
Tatsächlich übernehmen und selbst kontrollieren, kann man die Gefährten nicht, sie sind nur über vier einfache Befehle (gehe dahin, halte position, folge mir, greife an) zu steuern.
Die Fähigkeiten der einzelnen Figuren bestimmen sich durch ihre Klasse und Skills. Zum Glück ist Bioware schon mit dem letzten Spiel von D20 abgekommen, und auch in Mass Effect verwenden sie ein eigenes System. Das ist zwar recht einfach, aber funktioniert ganz gut. Es gibt für verschiedene Waffen, Biotechfertigkeiten, Rüstungen, Technik, erste Hilfe, usw. verschiedene Skills. Bei einem Stufenanstieg bekommt man eine feste Zahl Punkte, die man auf diese Skills verteilen kann. Welche Skills dabei gesteigert werden können, hängt von der Klasse ab. Z.B. haben Biotech Adepten keine Waffenfertigkeiten ausser Pistolen. Ab einer bestimmten Anzahl Punkte werden Talente oder andere Skills freigeschaltet. Z.B. muss man als Soldat 10 Punkte in Sturmgewehre investieren, bevor man überhaupt erst lernen kann, mit Scharfschützengewehren umzugehen. Oder schwere Rüstungen können erst getragen werden, wenn man 20 Punkte im Rüstungsskill hat, usw.
Die Skills des Spielers und seiner Gefährten, wirken sich auf die Schwierigkeit mancher Minispiele aus. Die zwei, die am häufigsten vorkommen, sind knacken und Mako fahren. Knacken muss man (leider) sehr oft bei Mass Effect, und zwar so ziemlich alles. Im Prinzip muss man einen Pfeil zwischen farbigen Blöcken hindurch ans Ziel führen. Man kann es sich ähnlich einem Frogger vorstellen, bei dem die Autos im Kreis fahren und man mit dem Frosch in die Mitte des Kreisess will. Am Anfang noch ganz nett, nerft es gegen später dann doch etwas - immerhin kann man es oft umgehen, wenn man dafür "Omnigel" ausgibt, was zwar reichlich, aber in limitierter Menge vorhanden ist.
Das andere Spiel ist Mako fahren, ein Sechsradpanzer mit zwei dicken Kanonen. Wenn man auf unbekannten Planeten landet, fährt man damit durch die Gegend, fährt interessante Punkte auf der Karte ab oder liefert sich Kämpfe mit größeren Mengen Feinden. Eine Physiksymulation wird für die Fahreigenschaften verwendet, aber die Steuerung ist unglaublich ungenau und auch wenn man sehr lange damit fährt, so richtig unter Kontrolle hat man das Ding nie.
Apropos Kontrolle. Das UI ist in vielen Stellen nicht besonders gelungen, obwohl Bioware wohl sehr viel Zeit darauf verwendet hat, die Konsolensteuerung für PC ordentlich anzupassen. Z.B. werden mehrere Gegenstände der gleichen Sorte nicht gestapelt, es gibt bei Händlern keine Filter, mit denen man sich nur bestimmte Sorten von Gegenständen (z.B. Waffen oder Rüstungen) anzeigen lassen kann, sondern es erscheinen immer alle. Und man kann tatsächlich nur 150 Gegenstände im "Rucksack" dabei haben - das nervt vor allem in längeren Missionen, in denen man an keinem Händler vorbei kommt. Wenn man nicht regelmäßig Gegenstände im Rucksack zerlegt um Omnigel daraus zu machen, verliert man eventuell tolle Items, einfach weil man sie nicht aufheben kann.
Ich sollte aber dazu sagen, dass die Trägheit/Ungenauigkeit der Minispiele durchaus aber auch an meinem Rechner liegen könnte - recht oft hatte ich das Gefühl, dass ich eher gegen meine Hardwäre kämpfe als gegen die Gegner. Vor allem wenn mehrere Biotech Adepten als Feinde auftauchen, ging die Framerate bei mir deutlich in den Keller.
Sooooo.... *lufthol*
Nach den letzten Absätzen könnte man meinen, Mass Effect ist ein ziemliches Desaster. Tatsächlich gibt es so viele Kritikpunkte, dass ich mir vorstellen kann, viele Leute werden es deswegen nicht mögen. Aber, Bioware macht mit Mass Effect einige neue Sachen, die mir sehr gefallen haben.
Cut-Scenes
Bioware hat soviel Arbeit in die Zwischensequenzen gesteckt, es sieht einfach super aus. Angefangen mit kleinen Sachen wie einem Film-Grain-Effect, der immer auf dem Spiel liegt. Am Anfang wundert man sich ein bisschen, später will man gar nicht mehr ohne - es sieht einfach zu steril aus wenn der Effect fehlt, egal welches Spiel.
Tatsächlich fühlt sich Mass Effect viel mehr als ein interaktiver Science-Fiction-Action-Film an, als ein herkömmliches Rollenspiel. Die Details in den Gesichtern der Figuren sind enorm, die Mundbewegungen passen perfekt zu den gesprochenen Texten, alle Gespräche werden tatsächlich gesprochen (bei KotoR habe ich damals die Untertitel eingeschaltet damit ich die Gespräche abkürzen kann, bei Mass Effect war mir da irgendwie nie nach).
Die Gesichtsausdrücke der Charaktere passen perfekt zu ihrer Stimmung und dem was sie sagen, viele Animationen wurden speziell nur für die eine Szene in das Spiel eingebaut. Effekte aus Film und Fernsehen wurden sehr gut eingesetzt (Schnitte, Blenden), CG-Effekte (z.B. Tiefenunschärfe und Motion-Blur) passen auch sehr gut und sind (meistens) subtil.
Die Musikuntermalung sorgt für eine passende Atmospähre und ist an manchen Stellen so gut, dass ich schon versucht habe, die Musikdateien im Spiel zu finden um sie mir einfach so anzuhören.
Um es kurz zu sagen: Mass Effect fühlt sich wirklich an wie ein Film, in dem man selbst mitspielt. Bei manchen Cut-Scenes dachte ich zuerst, es sei ein vorgerenderter Film, bis ich gemerkt habe, dass der Protagonist ja so aussieht, wie ich ihn zusammen gebaut habe. Die Story ist nicht revolutionär, aber solide.
Vor allem, das Spiel macht einfach Spaß. Ich würde jedem, der sich ernsthaft für Computerspiele interessiert empfehlen, es zu spielen. Allen anderen: ich weiß nicht, ob die negativen Teile so ins Gewicht fallen wie die positiven, das dürfte wohl Geschmackssache sein. Mir persönlich hat es sehr gut gefallen, ich war von den Ideen, in Richtung Film zu gehen begeistert.
Jetzt überlege ich nur noch, ob ich beim nächsten Durschpielen einen neuen Charakter verwende oder einfach nochmal den gleichen auf einem höheren Schwierigkeitsgrad. Der, und seine Gefährten, sind mir ziemlich schnell ans Herz gewachsen.
